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Medienreflexe Oktober 2011

Habe nun ach! ...

Philosophie (der politischen Physik):

Michael Krätke, das Kapital und Zeit+Raum
Immer wieder liest man, die Moderne bzw. die Technikentwicklung bzw. der Kapitalismus bzw. das Kapital lasse Raum und Zeit zusammenschrumpfen. Aktuelle Lesefrucht: "... das Kapital strebt beständig, räumliche Distanzen durch Beschleunigung der Bewegung zu überwinden, Zeit und Raum zu komprimieren", (so Michael Krätke im Buch "Neun Fragen zum Kapitalismus, dietz berlin, S.33). Während der erste Teil des Satzes durch eine kleine Korrektur ("... Distanzen ... schneller zu überwinden") zu präzisieren ist, ist der zweite Teil zumindest bezüglich der Zeit einfach falsch. Zunächst: Was ist mit der Komprimierung des Raums gemeint? Bei Krätke, wie ja klar aus dem ersten Satzteil hervorgeht, und auch bei vielen anderen, die die Raumkomprimierungs/-schrumpfungs-Metapher verwenden, zunächst eine Schrumpfung des Abstands/der Distanz zwischen Orten/Räumen. Und natürlich ist damit nicht gemeint, dass die Distanz, gemessen daran, wie oft man das Pariser Urmeter (oder die Wellenlänge von Krypton-Laser-Licht) da rein packen kann, kleiner geworden sei. Sondern daran gemessen, wieviele Zeiteinheiten man/frau/reale Produkte/Informationen ... brauchen, um die Distanz zurückzulegen. Und das sind nun mal - im gesellschaftlichen Durchschnitt - heute weniger Zeiteinheiten als früher (vor der Moderne/dem Kapitalismus ...).
Aber das heißt doch umgekehrt, dass die Zeit (in diesem relationalen Sinn)  g e d e h n t  wurde. Denn in die gleiche Zeit kann man heute mehr Fahrt-/Flug-/... kilometer und auch mehr Informationsübertragungen (und - als gerade populäres Beispiel - Finanztransaktionen) packen als früher.
Und weiter: das Kapital strebt ja bekanntermaßen generell danach die Zeit zu "dehnen", indem es in der gleichen Zeit immer mehr als Tauschwerte realisierbare Gebrauchswerte produziert (Steigerung des relativen Mehrwerts, Marx in MEW Bd. 23, S 531ff).
Gleiches gilt aber auch für den "Raum" bzw. die Flächen! Auf der gleichen Fläche werden heute deutlich mehr landwirtschaftliche Güter produziert als früher, d.h, die Fläche (bzw. - nimmt man die für die darauf zu verrichtende Arbeit notwendige dritte Dimension dazu - der Raum) wurden "relational"  g e d e h n t. Analog werden in einem gleich großen Fabrikraum heutzutage nicht nur (wg. der Dehnung der Zeit) deutlich mehr Produkte produziert als früher, sondern auch wegen ihrer Verkleinerung deutlich mehr Produktionsmittel untergebracht. Nur ein Extrembeispiel ist hier die Miniaturisierung im Bereich der Rechenmaschinen.

Nüchtern betrachtet bleibt: Die "Distanzen" zwischen den "gedehnten" Produktionsräumen sind durch steigende Transportgeschwindigkeiten geschrumpft.
(Aber Zeit+Raum zu komprimieren hört sich natürlich mehr nach Einsteins spezieller Relativitätstheorie und damit eindrucksvoller an).

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Physik (Hardcore - fast ohne Philosophie):

Während die Raum+Zeit-Schrumpfungs-Metapher hauptsächlich in politisch/ökonomisch/kulturellen Texten mit gehobenem Anspruch anzutreffen sind, hat es der "Quantensprung" in Äußerungen zu allen Lebensbereichen geschafft. Nur einige wenige Beispiele:
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19.10.2011 Quantensprung: Google präsentiert Nexus
http://www.vienna.at/quantensprung-google-praesentiert-nexus/3059418
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10.6.2008 Kommentar: Quantensprung mit Snow Leopard
Auf der von Apple eigens für Snow Leopard eingerichteten Seite wandelt Apple Intels Slogan Leap ahead (einen Schritt voraus) in A Quantum Leap ab. Damit ist die Marschrichtung klar. Snow Leopard wird zwar kaum neue Funktionen bringen, aber an der Basis des Systems wird es massive Änderungen geben.
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Bandheuer: Quantensprung bei der Flächenpflege
AGNUBlog – AG Natur und Umwelt Haan e. V. , 16.9.2011
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Kommentar : Manuel Neuer: Wechsel zu Bayern ein Quantensprung
Hamburger Abendblatt, 3.6.2011
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Die neue M-Klasse: „Ein Quantensprung in den Bereichen Effizienz, Sicherheit, Agilität und Design…“
http://blog.mercedes-benz-passion.com/2011/06/die-neue-m-klasse- %E2%80%9Eein-quantensprung-in-den-bereichen-effizienz-sicherheit -agilitat-und-design-%E2%80%9C/ , 16.6.2011
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FAZ, 29.10.2010
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/nach-dem-eu-gipfel-merkel-rat-arbeitet-als-wirtschaftsregierung-1635665.html, 29.10.2010
Zum Abschluss des Brüsseler Gipfels ... sprechen Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy von Gipfelerfolgen - schließlich sei die Stabilität des Euro wesentlich gestärkt worden.
... Unterdessen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Beschlüsse des Gipfels einen „Quantensprung“ für die Stabilität des Euro genannt. „
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Jedesmal soll mit der Quantensprung-Metapher eine Änderung als besonders groß/bedeutsam/einschneidend gekennzeichnet werden.
In der Physik, aus der die Bezeichnung zwar stammt, wo sie aber kaum noch benutzt wird, bezeichnet sie jedoch eine winzig kleine Änderung im atomaren/subatomaren Bereich. Zum Beispiel der Übergang eines Elektrons in der Atomhülle von einem (höheren) Energiezustand in einen anderen (niedrigeren), verbunden mit der Aussendung eines Lichtquants, dessen Energie dann in der Größenordnung von einem Zehntel eines Milliardstels eines Milliardstels einer Wattsekunde liegt, also ein Milliardstel von einem Milliardstel der Energie, die eine 30 Watt-Lampe in einer Zehntelsekunde verbraucht.

Vielleicht hat ja die promovierte Physikerin Angela Merkel bei der "Eurorettung" 2010 ganz bewußt und korrekt die Quantensprung-Metapher verwendet: Es war eine Maßnahme, die so gut wie keine Auswirkung auf das Gesamtsystem hatte!

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Politische Ökonomie:

Während in den politischen und Wirtschaftsteilen der staats- und kapitaltragenden Medien noch, wenn auch angestrengt bis panisch klingendes, Argumente-Business as usual betrieben wird, kommen in den Feuilletons doch ab und zu warnende Stimmen mit unverblümten Wahrheiten zu Wort. Zum Beispiel bei der FAZ Jens Beckert und Wolfgang Streeck, Leiter des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, "eine Einrichtung der Spitzenforschung in den Sozialwissenschaften. Es betreibt anwendungsoffene Grundlagenforschung mit dem Ziel einer empirisch fundierten Theorie der sozialen und politischen Grundlagen moderner Wirtschaftsordnungen. Im Mittelpunkt steht die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen ökonomischem, sozialem und politischem Handeln. " (http://www.mpifg.de/)

Ihr Aufsatz "Eine Verteilungsfrage - Die nächste Stufe der Finanzkrise" (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kapitalismus/eine-verteilungsfrage-die-naechste-stufe-der-finanzkrise-11111142.html) endet so:
"Es zeigt sich, dass die Lösung der Schuldenkrise wesentlich eine Verteilungsfrage ist. Wer zahlt für Ausgaben, die längst getätigt wurden, ohne je abgegolten worden zu sein, in einer Situation, in der die Gläubiger das Vertrauen verloren haben und ihr Geld zurückverlangen? Was da aussteht, ist die Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres, in einigen Ländern sogar weit mehr. Nachdem die Zuwächse des Sozialprodukts während der vergangenen dreißig Jahre vornehmlich den oberen Bevölkerungsschichten zugutekamen, stellt sich in der Schuldenkrise die Frage, ob und mit welchen Mitteln die Wohlhabenden versuchen werden, ihre Position auch um den Preis einer massiven sozialen und politischen Krise zu verteidigen. Wir können nicht ausschließen, dass sie die Schrift an der Wand auch weiterhin nicht verstehen wollen."

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und leider auch Theologie . . . :

Rüsselsheimer Echo, 23.9.2011 zur Rede von Josef Ratzinger aka Papst Benedikt bei einer Sitzung des Bundestags.

Überschrift : "... tiefgründige Rede .." , Text "...tiefgründige Analyse über Politik, Vernunft und Ethik ... keine Rede für das Volk da draußen. Das ist eine Rede für die Verantwortungsträger hier drinnen". Offenbar nach Meinung der Reporter : Je tiefgründiger desto weniger für's einfache Volk geeignet.
Aus was besteht nun der Grund in dem Herr Ratzinger tiefgründelt: Verschleierung, Verzerrungen, Schrift- und Geschichtsfälschungen.

Er beginnt mit der Geschichte des Königs Salomo, der von Gott angeblich statt Reichtum und Vernichtung der Feinde ein hörendes Herz (in der mir vorliegenden Übersetzung: "Weisheit und Verständnis, dass ich mit dem Volk richtig umgehe") zwecks guter Regierung des Volkes erbittet.
Dass Salomo von seinem Pappa David bereits riesige Reichtümer geerbt hat und sich gleich mal 1400 Streitwagen und 12000 Wagenkämpfer zulegt, zum Tempelbau 150.000 Mann zur Zwangsarbeit ausheben lässt (wozu er "die Nachkommen der von den Israeliten nicht ausgerotteten vorisraelitischen Bewohner heranzog", die gehören ja nicht zum Volk), zwischendurch mal Städte erobert und Gold und andere Reichtümer en masse zusammenträgt (2 Chronik 1-9), erwähnt er allerdings nicht. Weil, die Bibel will uns mit der Erzählung sagen, "wie man erkennt, was recht ist". Ja wie wohl? "Vom Blick auf die Gottheit her wird entschieden, was unter Menschen rechtens ist". Und der Papst hat sein hörendes Herz besonders dicht an der Gottheit Mund. Wie früher Moses, dem Gott immer direkt mitteilte, "was rechtens ist". Zum Beispiel nach der gottbefohlenen Strafexpedition gegen die Midianiter, wobei alle Männer getötet, die Städte verbrannt, Frauen und Kinder gefangen genommen wurden und mit dem Vieh nach Jericho gebracht wurden. Dort wurde Moses, der die Rückkehrenden Soldaten empfing allerdings stinkesauer: "Warum habt ihr die Frauen am Leben gelassen? ...sie haben die Israeliten zur Untreue gegen den Herrn verführt. ... Tötet alle Kinder, die männlichen Geschlechts sind und alle Frauen, die schon mit einem Mann Verkehr gehabt haben. Nur die Mädchen, die noch unberührt sind, dürft ihr am Leben lassen und für euch behalten" Und so geschah's und war recht getan - zumindest wenn man nach der Schlächterei und den Vergewaltigungen sich und seine Kleider ordentlich gereinigt hat (Moses/Numeri 31).
Na gut, das war halt so im alten Testament, aber im neuen, dem richtig christlichen geht's doch mit "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" gänzlich anders zu. Matthäus 10.34 : "Denkt nicht, dass ich gekommen bin, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig."
Und in Offenbarung 2.22+23 wird den hörenden Herzen nochmal entschieden gesagt, was von der Gottheit her rechterweise mit solchen zu geschehen hat, die sich mit falschen Propheten, insbesondere Prophetinnen, einlassen: „Alle die sich mit ihr eingelassen haben, werden Schlimmes durchmachen müssen, wenn sie nicht den Verkehr mit dieser Frau abbrechen. Und ihre Kinder werde ich durch die Pest töten“.
Da kann man doch froh sein, dass „in der Geschichte Rechtsordnungen fast durchgehend religiös begründet worden sind“. Zum Beispiel Inquisition und Hexenverbrennungen. Aber dann wurde die Situation gemäß Benedikt dramatisch: die alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft drohte und droht bei der Rechtsbildung. Und damit wird „Europa gegenüber den anderen Kulturen der Welt in einen Status der Kulturlosigkeit gerückt und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausgefordert“. Also weil es in Europa Hexenverbrennungen und Inquisition nicht mehr gibt, gewinnt der Extremismus woanders an Boden (zum Beispiel der Islamismus?), nämlich da, wo es noch richtige Kultur gibt ??? Oder was will er den „Verantwortungsträgern“ mit solcher „ruhig, fast professoral vorgetragener tiefgründigen Analyse“ sonst sagen?
Gegen Ende noch, dass „die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht von der Überzeugung eines Schöpfergottes her begründet worden ist“. Da werden sich ja diejenigen, die oft unter Opferung ihres Lebens diese Ideen gegen „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ vorangebracht haben, nachträglich freuen.

Die Rede, die durchaus auch diskutable Teile enthält, findet man hier: http://www.bundestag.de/kulturundgeschichte/geschichte/
gastredner/benedict/rede.html

 

 

   
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