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Facebook-Notiz von Heinz-Jürgen Krug vom 27.12.2017
zu den Straßenbeiträgen:

Ein Beitrag zu Beiträgen zum Straßenbeitrag

Am letzten Donnerstag gab es die Sondersitzung der Rüsselsheimer Stadtverordnetenversammlung (StVV) angesichts der Stellungnahme des Regierungspräsidiums (RP) Darmstadt zur einstimmigen Ablehnung einer Straßenbeitragssatzung durch die StVV eine Woche zuvor und des durch das RP erzwungenen Widerspruchs von Bürgermeister Grieser gegen diesen StVV-Beschluss.

Die jetzt als Begründung für den seit längerem ausgeübten Druck von Land+RP zur Erhebung angeführte hochdefizitäre Haushaltslage in Rüsselsheim und anderen Städten ist bewusst herbeigeführt worden.

Historisches
1991 postulierte Herbert Giersch (damals „Wirtschaftsweiser“, Hauptberater von Kohl/CDU, in ‚Ordnungspolitische Grundsatzfragen in Westeuropa‘):
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„Dies heißt Privatisierung und Deregulierung und ein Kürzen der Staatsausgaben. Widerstand gegen das Abspecken des Staates auf der Ausgabenseite kommt von der Bürokratie und den Subventionsempfängern. Wahrscheinlich muß daher das Abmagern auf der Steuerseite ansetzen: Steuersenkungen zum Mobilisieren des Diktats der leeren Kassen. Dies läßt allerdings, wie die Erfahrung zeigt, die Staatsdefizite steigen.“
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Folgerungen und Folgen

Die Umsetzung dieser Leitlinie gegenüber den hessischen Kommunen erfolgte dann „konsequent“ verfassungswidrig, wie der Staatsgerichtshof im Mai 2013 zum Kommunalen Finanzausgleich (KFA) feststellte. Neben dieser flächendeckenden Verfassungswidrigkeit gab es für Rüsselsheim noch eine besondere Benachteiligung gegenüber anderen Kommunen, insbesondere den anderen Sonderstatusstädten. Nach dem vergleichenden Bericht 2012 des Landesrechnungshofs hätte Rüsselsheim, um pro Kopf die durchschnittliche Ausstattung der übrigen  6 Sonderstatusstädte zu erreichen, von  2006 bis 2010 pro Jahr 22 Mio Euro mehr an allgemeinen Deckungsmittel (Steuern + Landeszuweisungen) zur Verfügung haben müssen.
Rechnen wir vorsichtshalber für 2001 bis 2015 mit einem etwas niedrigeren Wert von 20 Mio Euro jährlich, so ergibt sich allein durch diese Unterfinanzierung ein Verschuldungsstand von 300 Mio Euro, bei einer angenommenen 4%-igen Jahresverzinsung der durchschnittlichen 150 Mio Euro Schulden (ohne Zinseszins) von 390 Mio Euro. Der tatsächliche Schuldenstand des Rüsselsheimer Haushalts Ende 2015 betrug inklusive der im Rahmen des Schutzschirms auf die landeseigene WiBank umgebuchten 128,8 Mio Euro 406,6 Mio Euro.  Wären also bei durchschnittlichen Deckungsmitteln gerade noch 16,6 Mio Euro an Schulden geblieben.

Folgen der Folg(erung)en
Neben dem verfassungsgerichtlich erzwungenen verbesserten KFA sind auch der Schutzschirm und die angekündigte Hessenkasse (unzureichende) Eingeständnisse des Landes für eine jahrelange unzureichende Finanzausstattung der Kommunen – verbunden allerdings mit einer zunehmenden Einschnürung der kommunalen Selbstverwaltung.

Beispiel generell
Bei einer auch vom Land verbal als extrem wichtig eingestuften kommunalen Aufgabe, wie der Kinderbetreuung
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Leitlinie zur Konsolidierung: „Die Landesregierung hat ein großes Interesse an der angemessenen Betreuung von Kindern. Die Kommunen entscheiden dabei grundsätzlich selbst, in welcher Höhe sie Elternentgelte erheben.“;  Vorschlag für die Aufnahme in die geänderte Landesverfassung „Jedes Kind hat das Recht auf Schutz sowie auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes ein wesentlich zu berücksichtigender Gesichtspunkt“
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ergibt sich folgende Finanzierungslage (HH-Entwurf 2018, ähnlich in den Vorjahren): Gesamtaufwand 24 Mio Euro, Landeszuschüsse knapp 3 Mio Euro. Selbst wenn frau/man davon ausgeht, dass wegen der Personalknappheit der reale Aufwand bei ca. 22 Mio Euro liegen wird, bleiben unter Abzug von Gebühren und Kreiszahlungen gut 16 Mio von der Stadt zu decken.
Das geplante Gesamtdefizit des Haushalts (inklusive Abschreibungen) liegt bei 15,9 Mio Euro, dürfte aber wegen vieler unbesetzter Stellen wie jedes Jahr etwas niedriger ausfallen.

Das heißt ein Großteil der inzwischen aufgelaufenen Kassenkredite, die sich dem im Haushalt 2016 festgelegten Schwellenwert von 210 Mio Euro annähern, ist – neben der jahrelangen generellen Unterfinanzierung - durch die unzureichende Landesfinanzierung für den Kitabereich zu erklären.

Beispiele aktuell

Und aktuell kommen weitere ca. 10 Mio Kassenkredite durch den Hessentag dazu. Denn vom Land stehen noch aus: 3,5 Mio Verlustabdeckung, 1 Mio für erhöhte Sicherheitskosten (von OB Burghardt so erhofft), vom Finanzamt 1,6 Mio Vorsteuerrückerstattung (davon +1 Mio gegenüber urspr. Planung erhofft), verbleibendes Defizit falls alle diese Zahlungen noch eintreffen ca. 3 Mio, dazu wahrscheinlich Kassenkredite zur Überbrückung der Zeit, bis alle Fördergelder für die investiven Maßnahmen eigetroffen sind.
Und natürlich schlagen auch die seit Gründung der AöR erhöhten Zahlungen ( siehe
https://www.facebook.com/notes/heinz-j%C3%BCrgen-krug/trau-schau-wem-a%C3%B6r-verwaltungsratssitzung/1817785341588362/ ) auf die Kassenkredite durch.

RP-Schreiben
Angesichts all dessen ist das Schreiben der Regierungspräsidentin (als Beauftragte der Landesregierung) mit der x-ten Aufforderung, nun aber gegen den erklärten Willen endlich doch Straßenbeiträge von den Bürgerinnen und Bürgern zu erheben, unverschämt, zynisch und inkonsistent-schludrig:
- unverschämt ist die Drohung gegen jeden einzelnen Stadtverordneten ihn bei einer unbotmäßigen Entscheidung rechtlich zu belangen
- zynisch ist die Behauptung, das RP greife mit der angedrohten Anweisung + evtl. folgender Ersatzvornahme möglichst wenig in die kommunale Selbstverwaltung ein und handele im Interesse der potentiellen Beitragszahler
- inkonsistent ist die Behauptung der politische Wille für eine (wenn denn überhaupt eine kommen müsste) Satzung mit wiederkehrenden Beiträgen sei nicht erkennbar, da unmittelbar danach (wiederum unverschämt) formuliert wird, es sei „auch nicht Aufgabe der Kommunalaufsicht, einer Kommune im Wege der Ersatzvornahme das von ihr am ehesten gewünschte Modell (HJK: das demnach doch erkennbar ist) zu verschaffen“. Und genau so inkonsistent ist die Drohung, auch die HH-Genehmigung 2018 sei bei einer „falschen“ Abstimmung gefährdet angesichts der Drohung, dann eine Satzung selbst aufzuzwingen – denn dass der Haushalt an sich genehmigungsfähig sei, wurde bereits zugesichert.

Finanzielle Folgen
Was würde eigentlich die Erhebung von Straßenbeiträgen zur „Konsolidierung“ des Haushalts beitragen? Geht man von den kommunizierten ca. 2 Mio Euro pro Jahr für grundhafte Straßensanierungen aus und dass davon ca. 1 Mio Euro durch die Beiträge abgedeckt würden, wären also ohne Straßenbeiträge jährlich 1 Mio mehr an Krediten aufzunehmen. Bei einem Zinssatz von 2% (4%) käme dadurch eine Haushaltsbelastung von 20.000 (40.000) Euro zustande. Denen gegenüber stünden aber die Verwaltungsaufwände zur Erhebung der Beiträge. Ob also der Verzicht auf die Erhebung tatsächlich eine sich dann jährlich akkumulierende geringe Belastung des Haushalts brächte, ist unklar. Immerhin hat das Land Hamburg letztes Jahr die Straßenbeiträge wegen des die Erträge übersteigenden Verwaltungsaufwands wieder abgeschafft, Baden-Württemberg und Berlin haben sie auch nicht (wessen sich die dortige CDU rühmt), Schleswig-Holstein wird sie von einer Soll- wieder zu einer Kann-Regelung zurückstufen, in Bayern deutet einiges auf eine baldige Abschaffung hin.

Hinweise, Leitlinien, Gesetze
Nun behaupten Befürworter der Einführung von Straßenbeiträgen, dies sei halt nach Gesetzeslage unvermeidlich. Berufen wird sich meist auf die vom Innenministerium am Rosenmontag 2014 an die RPs geschickten „Ergänzenden Hinweise zur Anwendung der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte vom 6. Mai 2010“ in denen bzgl. Straßenbeiträgen formuliert ist
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Die dafür bestehende Rechtsgrundlage des § 11 Abs. 1 S. 2 KAG ist zwar als „Soll-Vorschrift“ gestaltet, in Fällen, in denen die Gemeinde der haushaltsrechtlichen Pflicht zum Haushaltsausgleich nicht nachkommt, kann sich das von der Gemeinde auszuübende Ermessen unter Berücksichtigung des Vorrangs der Einnahmebeschaffung zu einer Pflicht verdichten, eine Beitragssatzung zu erlassen.
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Zur Steigerung der Erträge wird allerdings im gleichen „Rosenmontagserlass“ davor geschrieben
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… Daraus folgt die Verpflichtung zur zumutbaren Beschaffung von Erträgen. Zumutbar ist für defizitäre Kommunen jedenfalls alles, was andere Kommunen in Hessen in vergleichbarer Lage ihren Einwohnern gewöhnlich bereits abverlangen.
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Diesen ‚Hinweisen zu Leitlinien‘ liegt auch eine gesetzliche Regelungen zugrunde. §93 Hessische Gemeindeordnung lautet
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Die Gemeinde hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen … zu beschaffen
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Angesichts der mit dem „Schutzschirm“ erfolgten Verdoppelung des Grundsteuerhebesatzes in Rüsselsheim auf 800 Prozent halte ich eine zusätzliche Belastung weder für vertretbar noch den  Bürgerinnen und Bürgern für zumutbar. Dazu kommt, dass sich die anderen Sonderstatusstädte und ihre Einwohner angesichts ihrer Grundsteuerhebesätze gerade nicht in vergleichbarer Lage befinden:
Fulda 330 , Bad Homburg 345 , Marburg 390 , Wetzlar 590 , Hanau 595 , Gießen 600 .

Politische Folgerungen und Nichtfolgerungen
Nun hatten ja alle Fraktionen einschließlich der CDU und ihres OB Patrick Burghardt betont, wie sehr sie die Einführung von Straßenbeiträgen ablehnen. Wie also war der bisherige politische Beitrag des stellvetretenden hessischen CDU-Vorsitzenden, des bisherigen  Städtetagspräsidenten, des zukünftigen Staatssekretärs Patrick Burghardt zur Abschaffung oder zumindest der nicht erpresserisch erzwungenen Erhebung dieser Beiträge?

- - - ? - - - ? - - - ? - - - ? - - - Genau!

Hat er wenigstens versucht, die Auswirkungen des wegen der fehlenden Straßenbeitragssatzung nicht genehmigten Haushalts zu minimieren? Na ja, er hat dafür gesorgt, dass ein Weinfest und die Mainland-Games aus dem städtischen Haushalt, obwohl ja freiwillige Leistungen, gefördert wurden. Die im Haushalt vorgesehenen Fördergelder von 99.0000 Euro für die gut 50 Sportvereine der Stadt waren aber angeblich nicht zu genehmigen.
Obwohl es doch in den ‚berühmten‘ Leitlinien des hessischen Innenministeriums zur Haushaltskonsolidierung heißt
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„Im Hinblick auf die überragende Bedeutung des Sportes für das Gemeinwesen soll unter Berücksichtigung von Art. 62 a Hess.Verf. („Der Sport genießt den Schutz und die Pflege des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände.“) sowie § 19 Abs. 1 HGO („Die Gemeinde hat die Aufgabe, in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für ihre Einwohner erforderlichen wirtschaftlichen, sozialen, sportlichen und kulturellen öffentlichen Einrichtungen bereitzustellen.“ ) der Verzicht auf die Erhebung von Gebühren für Sportvereine bei der Nutzung kommunaler Sportstätten nicht als „freiwillige Leistung“ nachteilig angerechnet werden.
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In der Logik dieser Begründung hätte m.E. der Sportdezernent Burghardt die Auszahlung gemäß der mit dem Sportbund erarbeiteten Richtlinien mit Schwerpunkt auf der Jugendförderung durchaus veranlassen können. Aber die Nutzung der Angst vor dem Verlust der Fördergelder als Druckmittel auf die Stadtverordneten zwecks Zustimmung zu Straßenbeiträgen war dem künftigen Staatssekretär wohl wichtiger.

Politische Folgerung
Im Herbst 2018 sind Landtagswahlen in Hessen.

Die Gratulation der AG Straßenbeitragsfreies Hessen zur StVV-Entscheidung mit erläuternden Dokumenten hier
https://www.magentacloud.de/lnk/0aCrQieQ

 

 

   
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